Gegen Revanchismus

Versuch an einem untauglichen Projekt

Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung

Kurt Nelhiebel

 

Als ich 2015 gefragt wurde, ob ich für den Band „Verständigung und Versöhnung nach dem ‚Zivilisationsbruch’? – Deutschland in Europa nach 1945“, (Hg. Corine Defrance, Ulrich Pfeil, P.I.E. Peter Lang, 2016) etwas über die deutsche Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung schreiben möchte, habe ich gezögert. Ich sei zwar dem Gesetz nach ein Vertriebener, sähe die Stiftung als Sohn eines Hitlergegners [1] aber kritisch, gab ich gegenüber den Herausgebern zu bedenken. Diesen Hinweis hielt ich für geboten, um nicht falsche Erwartungen zu wecken. Als meine Berichte vom Frankfurter Auschwitz-Prozess, die ich für eine jüdische Zeitung in Wien geschrieben habe, 2003 in Buchform erschienen [2], bekannte ich in einer persönlichen Vorbemerkung: „Ich erfüllte meine Chronistenpflicht nach bestem Wissen und Gewissen. Ein neutraler Beobachter war ich nicht. Wenn mir jemand wegen meiner Parteinahme für die Opfer mangelnde Objektivität vorwirft, dann ehrt mich das.“ Das möchte ich auch für den folgenden Text gelten lassen.

Im Schmerz um die verlorene Heimat fühle ich mich allen Opfern der Vertreibung verbunden. Meine Tagebuchaufzeichnungen bezeugen das: 20. September 1946: „Es ist so weit. Meine Kiste mit Kleidung, Schuhwerk und ein paar Büchern ist schon im Sammellager Jungbuch. Zum letzten Mal sitze ich an diesem Fenster. In mir ist ein so starker Schmerz, dass ich ihn körperlich spüre. Noch zwei Tage bin ich daheim. Noch 48 Stunden höre ich unsere alte Uhr ticken. Noch zweimal werde ich hier den Tag kommen und gehen sehen – dann werde ich gehen – für immer.“ 22. September 1946: „Als wir heute früh Papas Wohnung verließen, sah ich zum ersten Mal Tränen in seinen Augen. Er wollte sie zurückhalten. Es half nichts, dass er die Zähne zusammenbiss, bis sie knirschten. Papa weinte. Dieser harte Mann, der so unerbittlich sein konnte, weinte. Es war ergreifend.“ 1. Oktober 1946. „Noch immer kann ich nicht fassen, dass ich von daheim fort musste. Warum, warum das alles? Unentwegt quält mich diese Frage und ich finde keine Antwort. Ein Wahnsinn ist dass Ganze, ein zum Himmel schreiendes Verbrechen“ [3].

Anders als das bei den meisten meiner Landsleute der Fall war, setzte mein Nachdenken über das Geschehene nicht mit dem Kriegsende ein, mit der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands und der Vertreibung. Ich erinnerte mich auch an die Vorgeschichte, mir klang noch in den Ohren, was landauf und landab in den von Deutschen besiedelten Randgebieten der Tschechoslowakischen Republik zu hören war: „Wir wollen heim ins Reich“. Heim ins Reich? Böhmen und Mähren haben niemals zum Deutschen Reich gehört, schon gar nicht zum Reich Adolf Hitlers. Sie gehörten vor der Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 zu Österreich. Diese Schreier wollten lieber in einem diktatorisch regierten Deutschland mit seinen Konzentrationslagern leben, als in der demokratisch regierten Tschechoslowakischen Republik, die ihnen alle staatsbürgerlichen Freiheiten gewährte. Sie ertrugen es nicht, dass die Sprache eines slawischen „Dienstbotenvolkes“ vor der deutschen Sprache rangierte. Von Anbeginn hatten sie nur eines im Sinn, die Zerstörung der Tschechoslowakei. Der Führer der Sudetendeutschen Partei, Konrad Henlein, hat das später als Statthalter Hitlers im Gau Sudetenland unumwunden zugegeben: „Um uns vor tschechischer Einmischung zu schützen, waren wir gezwungen zu lügen, und unsere Ergebenheit für die Sache des Nationalsozialismus zu leugnen. Lieber hätten wir uns offen zum Nationalsozialismus bekannt. Es ist jedoch eine Frage, ob wir dann imstande gewesen wären, unsere Aufgabe zu erfüllen, die Tschechoslowakei zu vernichten“ [4].

Für Hitler war die Einverleibung des Sudetengebietes – so benannt nach einem gleichnamigen Gebirgszug – nur das Vorspiel zu einer viel größeren Unternehmung, der Neuordnung Europas und der Errichtung eines germanischen Riesenreiches unter seiner Führung. Für mich ergab sich als Fazit: „Wenn es überhaupt so etwas gibt, wie eine Lehre aus der Geschichte, dann kann sie nur lauten, dass die internationale Staatengemeinschaft über ein wirksames Instrumentarium verfügen muss, mit dem sie jeden Aggressor in die Schranken verweisen und jede Bedrohung des Friedens im Keime ersticken kann“ [5]. Dieses Instrumentarium ist in meinen Augen die Charta der Vereinten Nationen.

Die Vertriebenen – Hilfstruppe im Kalten Krieg

An mangelnder Heimatliebe lag es wahrlich nicht, dass ich mich fernhielt von den Vertriebenenorganisationen. Ich sah dort dieselben Leute am Werk, die mitschuldig waren am Verlust meiner Heimat wie kaum jemand sonst. Sie haben Hitler den Weg geebnet in Krieg und Verderben. Ohne den Zweiten Weltkrieg mit all seinen Gräueln hätte es die Vertreibung der Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei niemals gegeben. Nur vor dem Hintergrund der von den Nationalsozialisten hinterlassenen Leichenberge und der europäischen Trümmerlandschaft ist dieser grausame Einschnitt in das Leben von Millionen Menschen zu begreifen. Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges wollten verhindern, dass die deutschen Minderheiten jemals wieder für kriegerische Zwecke instrumentalisiert werden. Die gesamte von den Naziverbrechen geschockte zivilisierte Welt hat das akzeptiert. Nicht einmal die unmittelbar Betroffenen haben sich aufgelehnt, das kam erst später. Nirgendwo gab es einen wie auch immer gearteten Widerstand. Die Frommen hielten den Verlust der Heimat für eine Strafe Gottes, die anderen – das weiß ich aus eigenem Erleben – sagten sich, das musste ja so enden.

Fünf Jahre später sah alles ganz anders aus. Im Windschatten des Zerwürfnisses zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion und einem alles überschattenden Antikommunismus stilisierten sich die Wortführer der Vertriebenen als unschuldige Opfer eines vermeintlich ungnädigen Schicksals. In der am 6. August 1950 feierlich verkündeten „Charta der Heimatvertriebenen“ erklärten sie das „Recht auf die Heimat“ zu einem „der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit“. In einem beispiellosen Akt des Hochmutes und der Unbußfertigkeit setzten sie die Opfer von gestern auf die Anklagebank. „Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung“, heißt es in der Charta. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat zu trennen, bedeute, „ihn im Geiste zu töten. Die Völker der Welt sollen ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen als der vom Leide dieser Zeit am Schwersten Betroffenen empfinden.“ Was da formuliert wurde, war die Fortschreibung der so genannten Eichstätter Adventserklärung vom 27. November 1949, die nach dem Eingeständnis des Bundes der Vertriebenen manche Aussagen der Charta bereits vorwegnahm. 17 Personen haben die Eichstätter Erklärung unterzeichnet, 13 von ihnen waren Mitglieder der NSDAP oder haben dem Naziregime auf andere Weise gedient. [6]

Historiker halten die Charta der Heimatvertriebenen für eine „bemerkenswerte Quelle zur Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“. [7] Was ihr fehlt, beschrieb der polnische Publizist und ehemalige antikommunistische Dissident Adam Michnik mit einem einzigen Satz: „In solch einer Charta müsste vor allem von der deutschen Schuld gegenüber den Nationen Europas die Rede sein, nicht vom eigenen Leid.“ Der von den Nazis verfolgte Publizist Ralph Giordano bezeichnete die Charta als ein „klassisches Beispiel historischer Unterschlagungen“. Dieses „Dokument deutscher Anmaßung“ verschweige die Vorgeschichte der Vertreibung. Sie rücke die Opfernationen Osteuropas in die Position von Schuldnern, die Täternation aber in die eines großmütigen, verzeihenden Gläubigers. [8] Hingegen rühmte die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, von der noch zu reden sein wird, die Charta als „herausragendes Zeugnis der Selbstüberwindung und Versöhnung“. [9]

Keine Bevölkerungsgruppe hat nach dem Zweiten Weltkrieg soviel politische Zuwendung erfahren wie die Vertriebenen. Sie wurden von allen Parteien umworben und spielten als Hilfstruppe im Kalten Krieg zwischen West und Ost eine bedeutende Rolle. Keiner hat so laut nach der Wiederherstellung der Vorkriegsgrenzen gerufen, wie die Verbandsfunktionäre der Vertriebenen. Als der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Willy Brandt, die Deutschen darauf vorzubereiten begann, dass mit der Rückgabe der ehemaligen Ostgebiete nicht zu rechnen sei, gehörten sie zu seinen schärfsten Kritikern. „Radikalste Kampftruppe gegen die Ostpolitik“ von Willy Brandt, nannte sich der Bund der Vertriebenen (BdV). [10] Dabei hatte Brandt nur ausgesprochen, was andere verheimlichten. Schon Konrad Adenauer war sich dessen bewusst, dass man „nicht alles wieder zurückdrehen“ kann, wie er sich 1957 in einem seiner Teegespräche hinter verschlossenen Türen ausdrückte. [11]

Im Fahrwasser der deutsch-völkischen Propaganda

Manfred Kittel, ein Historiker aus dem Umfeld der bayerischen CSU, geboren 1962 im fränkischen Großhaslach, interpretierte den schwindenden Einfluss der Vertriebenen als „Vertreibung der Vertriebenen“ aus der bundesdeutschen Gesellschaft [12]. Als Kittel 2009 zum Direktor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung berufen wurde, freute sich der BdV. Damit seien „die Weichen richtig gestellt“. Kittel war eine „Personalie von Frau Steinbach“, urteilte später der Deutschlandfunk im Deutschlandradio Kultur. In der Tat verband beide ein Geschichtsbild, das die Zwangsumsiedlung der Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei in das besetzte Deutschland nicht in erster Linie auf die Naziverbrechen zurückführte, sondern auf weiter zurückliegende tiefere Ursachen. In seinem Buch Vertreibung der Vertriebenen? spricht Kittel auf Seite 169 von „Motivketten nationalpolitischer, machtpolitischer, ideologischer und massenpsychologischer Art“, die beim Entschluss zur Vertreibung zusammengewirkt hätten. Dahinter verbirgt sich die seit 1918 vertretene These der deutschvölkischen Propaganda, ohne den Versailler Vertrag und die damit einhergehende Entstehung slawischer Nationalstaaten in der Mitte Europas hätte es keine Konflikte um die deutschen Minderheiten in Polen und der Tschechoslowakei gegeben [13].

Mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die Bundesrepublik als völkerrechtlich verbindliche Grenze zwischen Deutschland und Polen hatte der Bund der Vertriebenen innenpolitisch als pressoure group und außenpolitisch als politische Hilfstruppe im Kalten Krieg ausgedient. Der Kampf um die Deutungshoheit über die jüngere europäische Geschichte und insbesondere über die Geschichte der Vertreibungen war damit aber nicht beendet. Bei der Abstimmung im Bundestag über den Grenzvertrag mit Polen votierten 23 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion mit Nein, darunter Erika Steinbach. Sie gaben am 17. Oktober 1991 zu Protokoll: „Dem Vertrag über die Bestätigung der bestehenden Grenzen können wir nicht zustimmen, da wir uns . . . für eine in die Zukunft gerichtete Lösung aller offenen deutsch-polnischen Fragen eingesetzt haben.“ Offen geblieben seien insbesondere Eigentums- und Vermögensfragen. Welche geistigen Verheerungen die Relativierung der Naziverbrechen inzwischen angerichtet hatte, zeigte das dreiste Gerede der Neonazis vom „Bombenholocaust“ und vom „Vertreibungsholocaust“, dem der Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Walter Becher, bereits 1979 sein „Holocaust war überall“ vorausgeschickt hatte. [14]

Um sich ungeachtet der politischen Veränderungen weiterhin Gehör zu verschaffen, gründete der BdV 1999 ein „Zentrum gegen Vertreibungen“. Nach offizieller Lesart sollte es dazu dienen, „Vertreibung und Genozid grundsätzlich als Mittel der Politik zu verbieten“. Die Zwangsaussiedlung der Deutschen nach Kriegsende wird hier in einem Atemzug mit dem Völkermord der Nazis an den Juden genannt [15]. Kein Wunder, dass Abgesandte des Zentrums gegen Vertreibungen in Polen auf scharfe Ablehnung stießen, als sie dort nach Archivmaterial für die erste Ausstellung des „Zentrums“ suchten. Das Jüdische Historische Institut in Warschau verweigerte ihnen jegliche Zusammenarbeit. Obwohl die Bundesregierung wusste, dass sich in Polen eine breite Abwehrfront gebildet hatte, beschlossen die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD im November 2005 – im selben Jahr, in dem in Berlin das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas eingeweiht worden war – ein „sichtbares Zeichen“ zu setzen, um, wie es offiziell hieß, „an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibungen für immer zu ächten“.

Versuch einer Schadensbegrenzung

Es dauerte dann noch drei Jahre, ehe der Bundestag die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schuf. Unter der Überschrift „Bundestag beschließt Gedenkstätte für Vertriebene“ war über den denkwürdigen Vorgang zu lesen: „Es ging auf 23 Uhr zu, als Bundestagspräsident Thierse einen von CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung Deutsches Historisches Museum als Tagesordnungspunkt 19 aufrief. Als selbständige bundesunmittelbare Stiftung wird das DHM die unselbstständige ‚Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung’ tragen. Innerhalb von einer Minute waren – bei geschätzten zwei Dutzend noch anwesenden Abgeordneten – die zweite und die dritte Beratung und die jeweils dazugehörige Abstimmung vollzogen. Lukrezia Jochimsen für die Fraktion Die Linke und Katrin Göring-Eckart für die Grünen hatten ihre Ablehnung des Projektes vorher zu Protokoll gegeben. Zweck der unselbständigen Stiftung ist es laut Gesetzestext, „im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wach zu halten“ [16].

Die BdV-Präsidentin kommentierte den Beschluss des Bundestages mit den Worten: „Natürlich ist das ein Erfolg, darüber freue ich mich.“ [17] In Wirklichkeit hatte Erika Steinbach wenig Grund zur Freude. Ab jetzt führten nicht mehr sie und der Bund der Vertriebenen die Regie bei der Erinnerung an die Opfer der Vertreibung, sondern die Bundesregierung beziehungsweise Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Um die Fäden halbwegs in der Hand zu behalten, verlangte der BdV die Aufnahme seiner Präsidentin in den Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Das lehnte Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der um den schlechten Ruf Erika Steinbachs in Polen wusste, kategorisch ab. Für den Direktor der Stiftung eine heikle Situation, schließlich verdankte er seinen Posten der Fürsprache Erika Steinbachs. Im Gespräch mit dem Magazin „Der Spiegel“ bemühte sich Manfred Kittel, Befürchtungen der osteuropäischen Nachbarn zu zerstreuen. Auf den Einwand, mit einem Vertriebenenzentrum nahe dem Holocaust-Mahnmal werde die deutsche Schuld relativiert, erwiderte er, die geplante Dokumentation werde historische Ursachen und Zusammenhänge nicht verwischen. Schließlich sei ja ein wissenschaftlicher Beirat mit Experten aus Polen, Tschechien und Ungarn berufen worden [18].

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein Mitglied des Beirates bereits wieder verabschiedet. Er könne mit dem Konzept der Stiftung nichts anfangen, sagte der polnische Historiker Tomasz Szarota zur Begründungen. Es beruhe auf der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, in der diese auf Rache und Vergeltung verzichteten. Das sei einfach nur zynisch. Der Verlust der Heimat sei zwar eine Tragödie, aber es gebe etwas Schlimmeres, das sei die Vertreibung aus dem Leben. „Es ist ein Unterschied, ob die Deportationszüge im Vernichtungslager Auschwitz hielten oder im Grenzdurchgangslager Friedland. Die einen gingen in den Tod, die anderen in eine neue Heimat. Mein Vater wurde von den Deutschen erschossen. Erika Steinbach kann mir nicht die Hand reichen und sagen: ich vergebe Ihnen, Herr Szarota’“. [19]

Als zweite verließ die tschechische Historikerin Kristina Kaiserová den wissenschaftlichen Beirat. Sie bedauerte, dass namhafte Historiker an der Arbeit nicht beteiligt seien. Öffentlich äußerten sich Mitglieder des Beirates in einer Weise, die ihren Vorstellungen eines korrekten Umgangs mit der Geschichte nicht entsprächen und mit denen sie sich nicht identifizieren könne. Kaiserová bezog sich auf einen Zeitungsartikel der Journalistin Helga Hirsch, die dem Beirat ebenfalls angehörte. Wenige Tage später zog sich Helga, der eine „allzu große Nähe zu Erika Steinbach“ nachgesagt wurde, aus dem wissenschaftlichen Beirat zurück. Sie sehe wegen der parteipolitischen Instrumentalisierung der Debatte und wegen persönlicher Diffamierungen sehe sie keine Basis mehr für eine Mitarbeit, schrieb sie dem Kulturstaatsminister. Die Frankfurter Allgemeine bemerkte dazu, die Stiftung habe von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Über dem Löschen „ideologischer Schwelbrände“ komme die konzeptionelle Arbeit kaum voran. [20] Angesichts der Misere berief der Stiftungsrat unter Vorsitz des Kulturstaatsministers im November einen erweiterten wissenschaftlichen Beraterkreis. Zu den neuen Mitgliedern gehörte unter an anderen der auf Kittels Linie argumentierende amerikanische Historiker Norman Naimark. Der von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nominierte Münchner Osteuropa-Historiker Martin Schulze-Wessel, der als Kritiker des Stiftungsdirektors Kittel gilt, wurde abgelehnt

Vor der personellen Erneuerung des wissenschaftlichen Beirates musste das Lenkungsorgan der Stiftung, der Stiftungsrat, erst einmal mit sich selbst ins Reine kommen. Wieder einmal ging es um Erika Steinbach, deren provozierende Äußerungen insbesondere gegenüber Polen immer wieder für Unmut sowohl in Warschau als auch in Berlin gesorgt hatten. Nach monatelangem Streit zwischen der Regierung und dem Bund der Vertriebenen verzichtete sie im Februar 2010 auf den ursprünglich beantragten Sitz im Stiftungsrat. Als Gegenleistung wurden dem BdV statt der bisherigen drei nunmehr sechs Sitze in dem Gremium zugebilligt, dessen Mitgliederzahl sich damit auf 21erhöhte. Je zwei Sitze entfallen auf die Evangelische und die Katholische Kirche sowie den Zentralrat der Juden, vier Sitze sind für Abgeordnete des Bundestages vorgesehen, drei für Vertreter der Bundesregeierung und die beiden restlichen für die Präsidenten des Deutschen Historischen Museum und des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Aus Protest gegen revisionistische Äußerungen zweier Vertriebenenvertreter ließ der Zentralrat der Juden seine Mitgliedschaft jedoch ruhen. Die Frankfurter Allgemeine schrieb zu den Personalquerelen, Erika Steinbach müsse insgeheim froh sein, dass ihr die Teilnahme an der Farce um die Stiftung ‚Flucht, Vertreibung, Versöhnung’ erspart bleibe. Seit sie nicht mehr wie ein Damoklesschwert über den Gremien der Stiftung schwebe, würden die grundlegenden Interessengegensätze sichtbar. Während die einen vor allem das Gedenken an die Vertreibung institutionalisieren wollten, stehe für die anderen die Versöhnung mit Polen im Vordergrund. Wissenschaft und Politik prallten aufeinander [21].

Über diese Interessengegensätze war bis dahin nichts nach außen gedrungen. Nachdem ihnen die Stiftung – wie sie monierten – keinen Einblick in ihre konkreten Planungen gewährt hatte, gingen am 9. September 2010 sieben Historiker unter Führung von Martin Schulze-Wessel mit eigenen konzeptionellen Überlegungen an die Öffentlichkeit. Wichtig war ihnen, dass gezeigt werde, welche Politik zu den Vertreibungen geführt habe. Außerdem müsse die geplante Ausstellung „den kategorialen Unterschied zwischen den Vertreibungen und den systematisch betriebenen Massenmorden an Juden und anderen Gruppen deutlich machen“. Zu diesem Zeitpunkt hatte Manfred Kittel seine Vorstellungen bereits in einem Eckpunktepapier fixiert, dessen Entwurf er dem personell erweiterten Stiftungsrat kurz vor dessen konstituierender Sitzung am 25. Oktober 2010 zur Kenntnisnahme vorlegte. Die Mitlieder des Gremiums begrüßten den Entwurf einmütig als gute Beratungsgrundlage.

Ich wandte ich mich an die Schweizer Historikerin Marina Cattaruzza, die dem wissenschaftlichen Beirat der Vertreibungsstiftung angehört. „Würden die Eckpunkte (Manfred Kittels) unverändert als Richtschnur für die geplante Ausstellung genommen, bekämen die Besucher ein verschwommenes und keineswegs objektives Bild der historischen Abläufe“, schrieb ich ihr. Die Spannungen zwischen Deutschen und Tschechen seien nicht ethnisch bedingt gewesen, sondern hätten überwiegend soziale Ursachen gehabt. Die deutsch-völkische Propaganda habe der tschechischen Regierung vorgeworfen, sie drangsaliere bewusst die verhassten Deutschen, während es in Deutschland unter Hitlers Führung aufwärts gehe. Auch in Polen hätten die Agitatoren der deutschen Minderheit der Nazipropaganda in die Hände gearbeitet.

Noch ehe Einzelheiten des Eckpunktepapiers bekannt geworden waren hatte Manfred Kittel auf einer Tagung in Berlin angekündigt, er werde den Ersten Weltkrieg und die Friedensverträge von Versailles sowie die Nationalstaatsidee in die Vorgeschichte der Vertreibung der Deutschen einbeziehen. In der Zeitschrift „Ossietzky“ gab ich zu bedenken, dass dadurch die Naziverbrechen als Vertreibungsursache marginalisiert und der Zusammenhang zwischen Krieg und Vertreibung verwässert würden. Eine solche europäische Einbettung widerspräche dem Stiftungszweck. Der Kulturstaatsminister werde auf der Hut sein müssen; denn bei der Stiftung handle es sich de facto um eine staatliche Einrichtung. Bevor das Eckpunktepapier endgültig beschlossen werde, sollten der Stiftungsrat und der wissenschaftliche Beraterkreis Gelegenheit bekommen, sich mit den Vorschlägen des Historikerkreises um Martin Schulze-Wessel und des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma zu befassen. [22]

Das „unheilvolle Wetterleuchten“ von 1848

Davon wollten die Beteiligten ebenso wenig wissen wie von einer Analyse der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ zur revisionistisch angelegten Geschichtsinterpretation Manfred Kittels [23]. Dessen Position entsprach weitgehend den Ansichten der BdV-Präsidentin Steinbach und der deutsch-völkischen Propaganda vergangener Jahrzehnte. Für Erika Steinbach war das „Wetterleuchten des Nationalismus und Rassismus“ bereits auf dem Prager Slawenkongress von 1848 „unheilvoll sichtbar“. [24] Wie die nationalistisch gesinnten Wortführer insbesondere der Sudetendeutschen Landsmannschaft machte sie die Siegermächte des Ersten Weltkrieges verantwortlich für die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die „folgenschweren Verträge von Versailles, Saint Germain und Trianon“ zählten zu den „Wurzeln für das, was im 20. Jahrhundert an Vertreibungen“ geschehen sei [25]. Ähnlich argumentierte der aus der sudetendeutschen Irredenta stammende SS-Führer und Staatsminister für das Protektorat Böhmen und Mähren, Karl Hermann Frank. Er behauptete, es habe keinen Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien gegeben, „der den in St.Germain konstruierten, auf Lüge, Betrug und Fälschung aufgebauten Tschechenstaat nicht leidenschaftlich abgelehnt hätte“ [26].

Am 29. August 2012 gab das Presse- und Informationsamt der deutschen Bundesregierung bekannt, beide Gremien der Stiftung hätten die Konzeption für deren Arbeit und für die geplante Dauerausstellung einvernehmlich verabschiedet. Damit sei die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz auf breiter Grundlage gegeben. Im Zentrum der Aufgaben der Stiftung stehe, „im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wach zu halten“. Ein Schwerpunkt sei Flucht und Vertreibung der Deutschen – eingebettet in den Kontext europäischer Vertreibungen im 20. Jahrhundert. [27] Der Hinweis, das Konzept sei einvernehmlich verabschiedet worden, deutet darauf hin, dass die Verabschiedung nicht einstimmig erfolgte. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, schrieb mir, die Verhandlungen zum Konzept der Dauerausstellung hätten sich als kompliziert erwiesen. Bei der konkreten Ausgestaltung dürfte es weitere Kontroversen geben. Er halte es zum Beispiel für notwendig, die Verstrickung von Mitgliedern des Gründungspräsidiums des Bundes der Vertriebenen in nationalsozialistische Verbrechen in die Ausstellung aufzunehmen [28]. Thierse bezog sich dabei auf eine Studie von Michael Schwartz, der zufolge neun von fünfzehn Spitzenfunktionären des BdV Mitglieder der NSDAP waren [29]. Sechs der insgesamt 46 Seiten befassen sich mit dem Schicksal der deutschen Minderheiten in Polen und der Tschechoslowakei, zwei mit der deutschen Besatzungsherrschaft in Mittel- und Osteuropa und zehn mit Gewalttaten sowjetischer Soldaten und dem Leid der deutschen Vertriebenen. Gesondert erwähnt wird ein „Massaker der Roten Armee“ an 20 Bewohnern von Nemmersdorf, das in der Erinnerungskultur der Vertriebenen einen besonderen Platz einnimmt. Hierzu vorliegende Studien, die auf widersprüchliche Angaben verweisen, werden nicht genannt. [30] Beispiele für deutsche Massaker an der Zivilbevölkerung in den besetzten Ländern fehlen.

Das Abschlachten von 33.000 Menschen während einer einzigen Tötungsaktion im ukrainischen Babi Jar wird nicht erwähnt, es gibt keinen Hinweis auf die Ermordung von 218 Kindern während einer so genannten Vergeltungsaktion gegen Bewohner des griechischen Dorfes Distomo. Der Massenmord von Marzabotto, dem 770 italienische Zivilisten zum Opfer fielen, das Massaker von Oradour, bei dem 207 französische Kinder und 254 Frauen ermordet wurden, die grausame Rache der deutschen Besatzer an den Einwohnern des tschechischen Dorfes Lidice, all diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden unterschlagen. Eine Stiftung, die so schamlos über das Leid anderer hinweggeht, dient nicht der Versöhnung, sondern reißt vernarbte Wunden wieder auf. Bei soviel Selbstgerechtigkeit wird gemeinsames Erinnern zur Farce. All das steht im Widerspruch zu dem gesetzlichen Auftrag, die Erinnerung an Flucht und Vertreibung „im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wach zu halten“ [31].

Erika Steinbach konnte zufrieden sein. Sie musste zwar, um die Stiftung aus den Schlagzeilen zu bringen, auf einen Sitz im Stiftungsrat verzichten, aber ihr verquastes revisionistisches Weltbild, das den slawischen Völkern Nationalismus und Rassismus und den Siegermächten beider Weltkriege die Schuld an der Vertreibung zuschiebt, bestimmt das inhaltliche Fundament der Vertreibungsstiftung, schlimmer noch – es ist durch den amtlichen Segen Bestandteil der Regierungspolitik geworden. „Erikas siegreicher Abgang“ überschrieb die polnische Zeitung „Rzeczpospolita“ ihren Bericht über den Verzicht der BdV-Präsidentin auf eine Wiederwahl. Erika Steinbach hinterlasse „die überpuderte Version einer umredigierten Geschichte des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen“ [32]. Die Süddeutsche Zeitung hielt der CDU-Politikerin vor, sie habe den Bund der Vertriebenen mit „gespenstischer Gestrigkeit“ geführt. (Aber) „auch die längste Geisterstunde“ gehe einmal vorüber. Für den Bund der Vertriebenen sei der Abschied von Erika Steinbach eine Gelegenheit, sich der Wirklichkeit eines vereinten Europas zu stellen und Aussöhnung statt Hass als Richtschnur zu nehmen [33].

Kittel weg – und nichts ist gut

Fünf Monate später bekam auch die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung eine Gelegenheit, sich der Wirklichkeit eines vereinten Europas zu stellen. Ihr Direktor Manfred Kittel wurde Mitte Dezember 2014 mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden und an die Bayreuther Außenstelle des Bundesarchivs versetzt. Was war geschehen? Manfred Kittel hatte erstmals seit Amtsantritt zwei Ausstellungen arrangiert, beide ohne den wissenschaftlichen Beirat zu konsultieren, was seine Pflicht gewesen wäre. Eine beschäftigte sich mit der Vertreibung von Griechen aus Kleinasien nach dem Ersten Weltkrieg, die andere mit der Vertreibung von Deutschen aus Ostmitteleuropa nach dem zweiten Weltkrieg. Über diese Ausstellung hieß es in der „Süddeutschen Zeitung“: „Zu ihrem Entsetzen mussten die Beiratsmitglieder dann sehen, dass der Museumsdirektor auf Genauigkeit offenbar keinen Wert legt. Bilder und ihre Erklärung passen nicht zusammen.“ Noch viel mehr ärgere den Beirat, dass die Ausstellung auf die Vertreibung der Deutschen fokussiert sei.

Die Installation wurde entfernt, aber der Riss zwischen dem Beirat und dem Stiftungsdirektor war damit nicht gekittet. 14 von 15 Mitgliedern des Gremiums sprachen Kittel das Misstrauen aus. In einem Brief an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters begründeten Mitglieder des Beirates im Einzelnen, weshalb sie den Museumsdirektor für untragbar halten [34]. Nach Angaben der Zeitung „Neues Deutschland“ hingen in der Ausstellung Bilder, die von den Nazis während des Zweiten Weltkrieges zu Propagandazwecken gemacht wurden, um die Deutschen für die Umsiedlung so genannter Volksdeutscher einzunehmen [35]. Die für die Stiftung und die Bundesregierung überaus peinlichen Fotos wurden umgehend entfernt. Kurz bevor der Skandal an die Öffentlichkeit gelangte, war bekannt geworden, dass deutsche Medien und offizielle Einrichtungen seit Jahren – vermutlich unwissentlich – Propagandafotos der Nazis benutzen, um die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu illustrieren [36]. Der Historikers Stephan Scholz von der Universität Oldenburg hatte dazu eine Studie in der Fachzeitschrift „Zeithistorische Forschungen“ veröffentlicht.

Dass es nicht gut enden konnte, einem Historiker, dem schon bei der Beschreibung der überschaubaren deutschen Nachkriegsgeschichte grobe sachliche Fehler unterlaufen sind, die Darstellung der komplexen europäischen Vertreibungsgeschichte anzuvertrauen, lag in der Natur der Sache [37]. Manfred Kittel war ja nicht nur von der Vertriebenenpräsidentin Steinbach, sondern auch von seinem Doktorvater und früheren Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, Horst Möller, wärmstens empfohlen worden. Möller steht für ein Weltbild, das die frühere lettische Außenministerin und EU-Kommissarin Sandra Kalniete 2004 mit den Worten beschrieb, Nazismus und Kommunismus seien „gleich kriminell“ gewesen. Es dürfe niemals eine Unterscheidung zwischen beiden totalitären Regimen geben, „nur weil die eine Seite auf der Seite der Sieger gestanden hat“ [38]. In dieser auf die Umdeutung der Geschichte angelegten Gedankenwelt, die keinen Unterschied macht zwischen den Befreiern von Auschwitz und den Betreibern der Todesfabrik, hat Manfred Kittel die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung verankert. Wie der Stiftungsrat ausdrücklich betonte, ist Kittels Konzeption weiterhin verbindliche Grundlager der Stiftungsarbeit.

Der Verständigung wird damit nicht gedient. Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ist ein Versuch am untauglichen Objekt. Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker meinte einst mit Blick auf das Verhältnis zu Polen und Russland, alle sprächen immer von „Versöhnung“. Das sei ein falsches, ein anmaßendes Wort. Deutschland habe diese Länder schließlich überfallen. Mehr als „Verständigung“ dürften Deutsche nicht anstreben. [39] Eine Stiftung zum Gedenken an den gemeinsamen deutschen und europäischen Widerstand gegen den Faschismus könnte dazu einen guten Beitrag leisten [40].

Anmerkungen

[1] Kurt Nelhiebel, „Im Mahlstrom der Zeit“, in: Kurt Nelhiebel, Im Wirrwarr der Meinungen, Zwei deutsche Antifaschisten und ihre Stimmen. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2013, S. 233.

[2] Conrad Taler (Kurt Nelhiebel), Asche auf vereisten Wegen. Eine Chronik des Grauens – Berichte vom Auschwitz-Prozess. Köln: PapyRossa, 2003.

[3] Conrad Taler, Verstaubte Kulisse Heimat. Über die Kausalität von Krieg und Vertreibung. Köln:PapyRossa, 2007.

[4] „Der Neue Tag“, Prag, 5. März 1941, in: Kurt Nelhiebel, Die Henleins gestern und heute. Frankfurt am Main 1962, S. 12.

[5] Conrad Taler, Das Vorspiel. Die Sudetenkrise und der Zweite Weltkrieg. Bremen 1998, S. 22.

[6] Kurt Nelhiebel, 60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Ursprung und Rezeption eines umstrittenen Dokuments, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Berlin 2010, S. 730 f.

[7] Eva Hahn/Hans Henning Hahn, „Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen“, in Gunilla Budde/Dagmar Freist/Dietmar van Reeken (Hg), Geschichtsquellen, Brückenschläge zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik. Festschrift für Hilke Günther-Arndt. Berlin 2008.

[8] Ralph Giordano, Die zwei Schuld oder von der Last, ein Deutscher zu sein. München 1990, S. 281 f.

[9] Wortlaut unter www.Bund-der-Vertriebenen.de/presse

[10] Deutscher Ostdienst, Nr. 8, 1973, S. 12.

[11] Thomas Urban, Der Verlust. Die Vertreibung der Deutschen und Polen im 20. Jahrhundert. München: C.H. Beck, 2004.

[12] Manfred Kittel, Vertreibung der Vertriebenen? Der historische deutsche Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik 1961-1982. München: Oldenbourg, 2007 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte), S. 111.

[13] Vgl. Hans Henning Hahn (Hg), Hundert Jahre sudetendeutsche Geschichte. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2007.

[14] Rede auf dem Sudetendeutschen Tag in München am 3. 6. 1979, zitiert in: Deutsch-Tschechische Nachrichten, Nr. 66, München 2005, S. 5.

[15] Vgl. Kurt Nelhiebel, „Fallgruben politisch motivierten Erinnerns. Anmerkungen zum Gedenktag für die Opfer aller totalitären Regime“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 7/8, Berlin 2014, S. 620.

[16] Die Welt, 6.12.2008; http://www.de/politik/article2834925/Bundestag-beschließt

[17] Die Welt, 5.12.2008.

[18] Der Spiegel, Nr. 53 vom 28.12.2009.

[19] Tomasz Szarota, in: taz, Berlin, 19.1.2010.

[20] Frankfurter Allgemeine, 8.3.2010.

[21] Berthold Kohler, „Eine Farce“, in: Frankfurter Allgemeine, FAZ.Net, 10.3.2010.

[22] Conrad Taler, „Kittels Konzept“, in: Ossietzky. Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft, Nr. 21. Berlin (2010).

[23] Kurt Nelhiebel, „Die Entkopplung von Krieg und Vertreibung, Zu Manfred Kittels Deutung der jüngeren europäischen Geschichte“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Nr.1, Berlin (2010).

[24] Erika Steinbach, Rede zum Tag der Heimat in Berlin am 22.8.2009.

[25] Interview im Deutschlandradio, 4. April 2004.

[26] Prager Jahrbuch 1943, Hg. Franz Höller, Prag 1943, S. 23. Vgl. hierzu: Eva Hahn/ Hans Henning Hahn, Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 2010, S. 648 f.

[27] Mitteilung Nr. 285 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 29. August 2012.

[28] Brief von Wolfgang Thierse an Kurt Nelhiebel vom 3. Juli 2013.

[29] Peter Carstens, „Bis zur Harmlosigkeit verstrickt“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.2.2010. Vgl. hierzu Tobias Weger, „Volkstumskampf“ ohne Ende? Sudetendeutsche Organisationen, 1945-1955. (Die Deutschen und das östliche Europa. Studien und Quellen 2). Frankfurt am Main: Peter Lang, 2008.

[30] Eva Hahn/Hans Henning Hahn, Die Vertreibung im deutschen Erinnern. Legenden, Mythos, Geschichte. Paderborn: Schöningh, 2010, S. 52 f.

[31] Vgl. Conrad Taler (Kurt Nelhiebel), „Auf morastigem Boden“, in: Ossietzky, Nr. 16, Berlin (2013).

[32] Klaus Brill, „Schweigen und vereinzelt Jubel“, in: Süddeutsche Zeitung, 9.7.2014.

[33] Joachim Käppner, „Es hat sich ausgespukt“, in: Süddeutsche Zeitung, 8.7.2014.

[34] Franziska Augstein, „Zeichen der Verwunderung“, in: Süddeutsche Zeitung, 18.11.2014, S. 6.

[35] Velten Schäfer, „Gestrauchelt“, in: Neues Deutschland, 22./23.11.2014, S. 2.

[36] Klaus Wiegrefe, „Falsche Opfer“, in: Der Spiegel, Nr. 45 (2014), S. 44 f.

[37] Vgl. Kurt Nelhiebel, „Die Entkopplung von Krieg und Vertreibung. Zu Manfred Kittels Deutung der jüngeren europäischen Geschichte“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin Nr. 1, Berlin (2010), S. 54.

[38] Juliane Wetzel, „Eine Trivialisierung des Holocaust?“ in: Wolfgang Benz (Hg.), Ein Kampf um Deutungshoheit. Politik, Opferinteressen und historische Forschung. Die Auseinandersetzungen um die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam. Berlin: Metropol, 2013, S. 252.

[39] Franziska Augstein, „Freistil, Nachruf auf Richard von Weizsäcker“, in: Süddeutsche Zeitung, 2.2.2015, S. 3.

[40] Eva Hahn/Tobias Weger, „Der Antifaschismus – erinnerndes Plädoyer für eine geistige und politische Haltung“, in: Kurt Nelhiebel, Im Wirrwarr der Meinungen. Zwei deutsche Antifaschisten und ihre Stimmen. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2013, S. 7.


 

Originalbeitrag 2015

Erika Steinbachs Rache an Angela Merkel

Zum Austritt der Ex-BdV-Präsidentin aus der CDU

Kurt Nelhiebel

 

Die CDU-Bundestagsabgeordnete und langjährige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, ist aus der CDU ausgetreten, behält aber ihr Bundestagmandat. Gegenüber der Zeitung Welt am Sonntag äußerte sie die Hoffnung, dass die Alternative für Deutschland (AfD) in den Deutschen Bundestag einzieht. Aktuell plane sie jedoch keinen Übertritt zu der Partei.

Steinbach begründete ihren Schritt mit der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel. Tatsächlich dürfte sie aber nur der Anlass gewesen sein. Erika Steinbach lebt seit vielen Jahren im Konflikt mit ihrer Partei. Besonders verübelt hat sie Angela Merkel ihre Ausbootung aus der bundeseigenen Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Damit versank der einst politisch mächtige Bund der Vertriebenen in der Bedeutungslosigkeit. Er existiert nur noch dank staatlicher Alimentierung.

Keine Bevölkerungsgruppe hat nach dem Zweiten Weltkrieg soviel politische Zuwendung erfahren wie die Vertriebenen. Sie wurden von allen Parteien umworben und spielten als Hilfstruppe im Kalten Krieg zwischen West und Ost eine bedeutende Rolle. Keiner hat so laut nach der Wiederherstellung der Vorkriegsgrenzen gerufen, wie die Verbandsfunktionäre der Vertriebenen. Als der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Willy Brandt, die Deutschen darauf vorzubereiten begann, dass mit der Rückgabe der ehemaligen Ostgebiete nicht zu rechnen sei, gehörten sie zu seinen schärfsten Kritikern. „Radikalste Kampftruppe gegen die Ostpolitik“ von Willy Brandt, nannte sich der Bund der Vertriebenen (BdV). Dabei hatte Brandt nur ausgesprochen, was andere verheimlichten. Schon Konrad Adenauer war sich dessen bewusst, dass man „nicht alles wieder zurückdrehen“ kann, wie er sich 1957 in einem seiner Teegespräche hinter verschlossenen Türen ausdrückte.

Mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die Bundesrepublik als völkerrechtlich verbindliche Grenze zwischen Deutschland und Polen hatte der Bund der Vertriebenen als politische Hilfstruppe im Kalten Krieg de facto ausgedient. Der Kampf um die Deutungshoheit über die jüngere europäische Geschichte und insbesondere über die Geschichte der Vertreibungen war damit aber nicht beendet. Bei der Abstimmung im Bundestag über den Grenzvertrag mit Polen votierten 23 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion mit Nein, darunter Erika Steinbach. Sie gaben am 17. Oktober 1991 zu Protokoll: „Dem Vertrag über die Bestätigung der bestehenden Grenzen können wir nicht zustimmen, da wir uns . . . für eine in die Zukunft gerichtete Lösung aller offenen deutsch-polnischen Fragen eingesetzt haben.“ Offen geblieben seien insbesondere Eigentums- und Vermögensfragen.

Um sich ungeachtet der politischen Veränderungen weiterhin Gehör zu verschaffen, gründete der BdV 1999 ein eigenes „Zentrum gegen Vertreibungen“. Nach offizieller Lesart sollte es dazu dienen, „Vertreibung und Genozid grundsätzlich als Mittel der Politik zu verbieten“. Die Zwangsaussiedlung der Deutschen nach Kriegsende wird hier in einem Atemzug mit dem Völkermord der Nazis an den Juden genannt. Kein Wunder, dass Abgesandte des Zentrums gegen Vertreibungen in Polen auf scharfe Ablehnung stießen, als sie dort nach Archivmaterial für die erste Ausstellung des „Zentrums“ suchten. Das Jüdische Historische Institut in Warschau verweigerte ihnen jegliche Zusammenarbeit. Obwohl die Bundesregierung wusste, dass sich in Polen eine breite Abwehrfront gebildet hatte, beschlossen die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD im November 2005 – im selben Jahr, in dem in Berlin das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas eingeweiht worden war – ein „sichtbares Zeichen“ zu setzen, um, wie es offiziell hieß, „an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibungen für immer zu ächten“.

Drei Jahre dauerte es, ehe der Bundestag die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schuf. Unter der Überschrift „Bundestag beschließt Gedenkstätte für Vertriebene“ war in der Presse über den denkwürdigen Vorgang zu lesen: „Es ging auf 23 Uhr zu, als Bundestagspräsident Thierse einen von CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung Deutsches Historisches Museum als Tagesordnungspunkt 19 aufrief. Als selbständige bundesunmittelbare Stiftung wird das DHM die unselbstständige ‚Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung’ tragen. Innerhalb von einer Minute waren – bei geschätzten zwei Dutzend noch anwesenden Abgeordneten – die zweite und die dritte Beratung und die jeweils dazugehörige Abstimmung vollzogen. Lukrezia Jochimsen für die Fraktion Die Linke und Katrin Göring-Eckart für Die Grünen hatten ihre Ablehnung des Projektes vorher zu Protokoll gegeben. Zweck der unselbständigen Stiftung ist es laut Gesetzestext, „im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wach zu halten“.

Säuerlich kommentierte die BdV-Präsidentin den Beschluss des Bundestages mit den Worten: „Natürlich ist das ein Erfolg, darüber freue ich mich.“ In Wirklichkeit hatte Erika Steinbach wenig Grund zur Freude. Ab jetzt führten nicht mehr sie und der Bund der Vertriebenen die Regie bei der Erinnerung an die Vertreibung, sondern die Bundesregierung beziehungsweise deren Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). Um die Fäden halbwegs in der Hand zu behalten, verlangte der BdV die Aufnahme seiner Präsidentin in den Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Das lehnte Bundesaußenminister Guido Westerwelle kategorisch ab; er wusste um den schlechten Ruf Erika Steinbachs in Polen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein Mitglied des Beirates bereits wieder verabschiedet. Er könne mit dem Konzept der Stiftung nichts anfangen, sagte der polnische Historiker Tomasz Szarota zur Begründung. Es beruhe auf der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, in der diese auf Rache und Vergeltung verzichteten. Das sei einfach nur zynisch. Der Verlust der Heimat sei zwar eine Tragödie, aber es gebe etwas Schlimmeres, das sei die Vertreibung aus dem Leben. „Es ist ein Unterschied, ob die Deportationszüge im Vernichtungslager Auschwitz hielten oder im Grenzdurchgangslager Friedland. Die einen gingen in den Tod, die anderen in eine neue Heimat. Mein Vater wurde von den Deutschen erschossen. Erika Steinbach kann mir nicht die Hand reichen und sagen: ‚Ich vergebe Ihnen, Herr Szarota’“.

Geschichtsvergessen und geltungsbedürftig wie Erika Steinbach ist, wäre es kein Wunder, wenn sie sich von der AfD als Kandidatin für den nächsten Bundestag aufstellen ließe.

Bremen, 15. Januar 2017 (erscheint auch in Weltespresso, Frankfurt am Main)


Bestattung in München

(Conrad Taler)

 

Jahrzehntelang hat die Sudetendeutsche Landsmannschaft Schindluder getrieben mit der Heimatliebe der Vertriebenen – jetzt gab sie ihr großmäuliges Versprechen auf, »den Rechtsanspruch auf die Heimat, deren Wiedergewinnung und das damit verbundene Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppe durchzusetzen«. Am 28. Februar wurde dieser Passus auf Vorschlag der Führung von der 15. Bundesversammlung der Landsmannschaft aus der Satzung gestrichen. Ein Zeichen der Einsicht? Der Verzicht auf die Wiedergewinnung der Heimat ähnelt dem unbußfertigen Verzicht auf Rache und Vergeltung, von dem in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen aus dem Jahr 1950 die Rede ist. Die Verfasser des umstrittenen Dokuments, unter ihnen zahlreiche Parteigänger Hitlers, spielten das unschuldige Opfer, das seinen Peinigern vergibt und verzeiht. Auch in der jetzt beschlossenen Grundsatzerklärung der Sudetendeutschen Landsmannschaft dominiert das eigene Leid. Traditionsgemäß werden die 54 deutschen Todesopfer genannt, die 1919 bei der Niederschlagung von Demonstrationen für das Selbstbestimmungsrecht zu beklagen gewesen seien. Eine Zahl über die tschechischen Opfer der deutschen Besatzungsherrschaft sucht man vergebens.

Fast zwei Menschenalter hat es gedauert, ehe die Verantwortlichen der Landsmannschaft begriffen, daß sie niemandem mehr vorgaukeln können, was selbst ihre treuesten Anhänger für irreal hielten: die Rückkehr in die Heimat. Die meisten Vertriebenen wollten ohnedies nicht zurück. Das haben Umfragen immer wieder ergeben. Abgesehen davon gehörte selbst zu besten Zeiten nur etwa ein Prozent der Vertriebenen einer Landsmannschaft an. Ohne staatliche Unterstützung hätte keine einzige überlebt. Als Dank unterstützten die Wortführer der Vertriebenen den Ruf nach Rückgabe der Ostgebiete. Wenzel Jaksch, ehemals Vorsitzender der sudetendeutschen Sozialdemokraten in der Tschechoslowakei und schärfster Kritiker seiner nationalistisch gesinnten Landsleute, verfiel später selbst in deren revanchistischen Jargon. 1963 tönte er auf dem Sudetendeutschen Tag in München: »Darum sei allen gesagt, die von Europa reden: Zu einem befriedeten Europa gehört auch ein deutsches Sudetenland.«

Als es dann nicht geklappt hat mit der Wiedererrichtung eines deutschen Sudetenlandes, nahm die Landsmannschaft die sogenannten Beneš-Dekrete aus dem Jahr 1945 ins Visier, ohne deren Aufhebung Tschechien nicht in die EU aufgenommen werden dürfe. Ihr Sprecher Bernd Posselt, der seinen Verein jetzt »als Bindeglied im deutsch-tschechischen Dialog« empfiehlt, stimmte als Abgeordneter der CSU im Europäischen Parlament gegen die Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union. Für Posselt war die Vertreibung »gezielter Völkermord« Obwohl selbst weder vertrieben noch politisch verfolgt, gehörte er im Europaparlament zu den Initiatoren der von osteuropäischen Dissidenten geforderten Ausrufung des 23. August zum gemeinsamen Gedenktag für die Opfer Hitlers und Stalins.

Über die Rolle der Sudetendeutschen als Fünfte Kolonne Hitlers verliert die jetzt in München beschlossene Grundsatzerklärung der Landsmannschaft kein Wort. Verharmlosend wird von einer »Instrumentalisierung und Gleichschaltung der Sudetendeutschen Volksgruppe durch das nationalsozialistische Deutsche Reich« gesprochen. In Wirklichkeit hat sich diese sogenannte Volksgruppe bis auf wenige Ausnahmen freiwillig den Nazis in die Arme geworfen. 90 Prozent der in der Tschechoslowakei lebenden Deutschen stimmten 1938 bei einer freien Wahl für die Partei Konrad Henleins, der 1941 als Statthalter Hitlers im Gau Sudetenland triumphierend bekannte: »Um uns vor tschechischer Einmischung zu schützen, waren wir gezwungen zu lügen und unsere Ergebenheit gegenüber dem Nationalsozialismus zu leugnen. Lieber hätten wir uns offen zum Nationalsozialismus bekannt. Es ist jedoch eine Frage, ob wir dann imstande gewesen wären, unsere Aufgabe zu erfüllen – die Tschechoslowakei zu vernichten.« (Der Neue Tag, 15.3.1941)

Mit dem Verzicht auf eine revanchistische Forderung aus der Zeit des Kalten Krieges hat die Sudetendeutsche Landsmannschaft einen stinkenden politischen Leichnam beiseite geräumt. Grundsätzlich hat sich damit nichts geändert. Die Landsmannschaft tritt weiterhin dafür ein, daß der europäischen Geschichte ein neues Gesicht gegeben wird. Sie möchte das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, die Ermordung unschuldiger Menschen in eigens dafür eingerichteten Todesfabriken, zu einem Unrecht ähnlich der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg herabstufen. Nichts anderes verbirgt sich hinter dem Satz: »Die Sudetendeutsche Landsmannschaft setzt sich dafür ein, daß von allen Beteiligten das Unrecht, das beide Seiten einander zugefügt haben, anerkannt und im Rahmen des Möglichen geheilt wird.« (Grundsatzerklärung der Sudetendeutschen Landsmannschaft vom 28. Februar 2015) Als gäbe es etwas zu heilen am Tod auch nur eines einzigen Menschen, der schuldlos und wehrlos in einer Gaskammer sterben mußte. Joachim Gauck nannte den Massenmord an den Juden ein rational einzuordnendes Phänomen der modernen Zivilisation. Das war 2006, vor seiner Zeit als Bundespräsident, wie die Süddeutsche Zeitung am 5./6. Juli 2014 schrieb. Am 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz drückte sich Gauck als Staatsoberhaupt anders aus, da war der Holocaust kein Phänomen der modernen Zivilisation. Da sagte er: »Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz.« Aber das ist ein anderes Thema.

Ossietzky, 6 (2015)…


 

Brisante Geschichte

Über den Umgang mit historischen Fakten – Blick in das Innenleben der Deutschen Presse-Agentur

Kurt Nelhiebel

 

Am 27. Januar 2013 stolperte ich im Internet über eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zum Ausgang der Präsidentenwahl in der Tschechischen Republik, die von der „Stuttgarter Zeitung“ ins Netz gestellt worden war. Darin hieß es über den Sieger Milos Zeman: „Der Ex-Sozialdemokrat Zeman stand von 1998 bis 2002 an der Spitze einer Minderheitsregierung. In einem Interview diffamierte er damals die Sudetendeutschen als ‚fünfte Kolonne Hitlers’ und löste einen internationalen Skandal aus.“

Wer jemanden diffamiert, handelt bekanntlich in ehrverletzender Absicht. Hat Zeman die Sudetendeutschen wirklich zu Unrecht verleumdet? Und hat er tatsächlich, wie dpa behauptete, damit einen internationalen Skandal ausgelöst? Ich schrieb der Deutschen Presse-Agentur, mir sei ein solcher Skandal nicht in Erinnerung. „Vom Handwerklichen her gesehen wäre es übrigens besser gewesen, zu formulieren, Zemans Äußerung sei damals als Diffamierung zurückgewiesen worden. In der gewählten Form macht sich dpa die Wertung zu Eigen und verletzt damit das Gebot der Objektivität.“

Die nach eigenen Angaben „marktführende“ Nachrichtenagentur mit 2000 Kunden in einhundert Ländern rechtfertigte sich unter anderem so: „Allein die Absage des Tschechienbesuchs durch den damaligen Kanzler Gerhard Schröder spricht für sich. Einen handwerklichen Fehler unsererseits kann ich nicht erkennen. Das Zitat (ohne jeden Zweifel eine Ungeheuerlichkeit) ist in unserer gesendeten Fassung klar zugeordnet und in den nötigen Kontext gestellt. Möglicherweise weicht die Meldung vom 27. 1., die Ihnen vorliegt, vom Original ab. Es obliegt den Zeitungen als unseren Kunden, wie sie mit dem Material umgehen, sie müssen es nicht unverändert übernehmen.“

Ein Abgrund von Unwissenheit und Ignoranz gähnte mich an. Aber ich wollte nicht vorschnell urteilen und erwiderte: „Damit ich die von mir beanstandete dpa-Meldung mit dem Original vergleichen kann, bitte ich um die von Ihnen erwähnte gesendete Fassung.“ Weil sich die Agentur damit Zeit ließ, erinnerte ich nach einigen Tagen an meine Bitte. Unwirsch: antwortete dpa: „Sicher ist Ihnen nicht verborgen geblieben, dass die letzten Tage für die Politikredaktion eher nachrichtenstark waren und wir zum Beispiel mit dem Papst oder Nordkorea Komplexe zu covern hatten, die offen gesagt eine höhere Priorität hatten als Ihre gleichwohl berechtigte Anfrage.“ Dann schickte mir die Agentur nach ihrer Darstellung „sämtliche Texte“, die sich in den betreffenden Tagen mit dem fraglichen Thema beschäftigt hätten.

Leider waren das keineswegs sämtliche Texte; die vom 27. Januar fehlten nämlich. Ich machte meinen Gesprächspartner darauf aufmerksam. Der antwortete schmallippig: „Die beiden Texte vom 27. 1. anbei, diese hatte ich in der Tat übersehen. Ich bitte Sie, nun von weiteren Nachfragen abzusehen.“ Kein Zweifel – der Mann wollte mich vom Hals haben. Dabei hatte ich mich zur Reaktion auf meine Kritik noch gar nicht geäußert und antwortete: „Da Sie sich weitere Nachfragen verbeten haben, werde ich alles Weitere mit dem Chefredakteur … besprechen.“ Nach einer halben Stunde lenkte mein Gesprächspartner ein. Er habe sich weitere Nachfragen keineswegs verbeten, „denn das hätte ich wohl so formuliert… Vielleicht möchten Sie – als ehemaliger Kollege, wie ich vermute? – nochmals darstellen, worin Sie das Problem unserer Berichterstattung über die Zeman-Wahl sehen.“ Er sei gespannt auf meine „Sicht der Dinge“. Noch ehe ich antworten konnte, erreichte mich am 15. Februar folgende zerknirscht klingende E-Mail:

„Mir hat diese Sache keine Ruhe gelassen, und ich habe recherchiert und nun einmal genau nachgesehen. Das hätte ich besser gleich getan. Dass es nicht geschah, liegt an extrem dicht gedrängten Tagen und einer Auslandsreise, was freilich die etwas hastige Beantwortung einer Frage wie der Ihren keine Entschuldigung, sondern nur eine Begründung sein soll. Hätte ich früher recherchiert, auch über Sie (was ich bei Anfragen eigentlich immer tue, was in diesem Fall aus besagten Gründen aber bedauerlicherweise unterblieb), wäre ich z.B. hierauf gestoßen: www.bohemistik.de/vertreibung. Und nun verstehe ich, worum es Ihnen inhaltlich geht.

Die Einordnung der dpa, Zeman habe die Sudetendeutschen als fünfte Kolonne Hitlers diffamiert, gehorcht zwar dem gängigen Geschichtsbild, ist aber ein Klischee und mithin falsch. Ich sage offen, dass ich das so nicht wusste, und dass ich es nun aus Ihren Schilderungen und einem Vergleich mit anderen Quellen bleibend gelernt habe. Geht man von dieser (unserer) falschen Grundannahme aus, muss auch die darauf aufbauende Anschlussformulierung eines ‚internationalen Skandals’ befremden, den Zeman ausgelöst habe. Nachrichtenagenturen sind zur Verkürzung und zur dichtestmöglichen Darstellung gezwungen. Das bedeutet nicht, dass sie falsche Zusammenhänge herstellen oder zu wenig selbst hinterfragte historische Fakten übernehmen dürfen, nur weil das schneller geht.

Im vorliegenden Fall transportierten wir in einem kleinen Nebensatz ein Geschichtsbild, das unkorrekt ist. Dass Sie darauf aufmerksam wurden und sich aufgrund Ihrer Geschichte, Ihrer Herkunft und Ihrer Arbeit daran stoßen, ist nur zu verständlich. Ich werde unseren Korrespondenten für die tschechische Republik und auch unsere Dokumentation inhaltlich informieren, damit sich diese Formulierung nicht fortsetzt.

Ich befürchte, ich habe Ihre Anfrage und Ihren Hinweis zu schnell abgetan. Dafür bitte ich um Entschuldigung. … Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mein Bild über die Vertreibung und die entsetzlichen Vorgänge dieser Zeit differenziert und bereichert haben. Letztlich haben Sie dazu beigetragen, dass die Berichterstattung der dpa über heute (Zeman) wie damals (‚die’ Sudetendeutschen) korrekter wird – und damit besser. Auch dafür herzlichen Dank.“

Mich haben diese freimütigen Zeilen sehr berührt. So viel menschliche Größe ist selten.   „Dieser Tag soll nicht zu Ende gehen“, mailte ich am Abend zurück, „ohne dass ich mich für Ihre Bemerkungen von heute früh zu unserem Mail-Austausch über das Echo auf den Ausgang der Präsidentenwahl in der Tschechischen Republik bedankt habe. Ich will mich jetzt nicht näher dazu äußern, sondern werde das in einem persönlichen Brief nachholen. Einstweilen möchte ich Ihnen meinen Respekt bezeugen und Sie meiner Hochachtung versichern.“ Am 25. Februar 2013 verabschiedete ich mich von meinem Gesprächspartner: „Wie angekündigt lasse ich heute noch einmal von mir hören. Mir ging es tatsächlich nicht nur um historische Wahrheit, sondern auch um handwerkliche Sauberkeit im Nachrichtengeschäft. Ich war lange Jahre in diesem Gewerbe tätig und kenne seine Tücken. Ihre abschließende Äußerung hat mich tief beeindruckt.“

Bei dem Text, der den Sinneswandel meines Gesprächspartners bewirkt hat, handelt es sich um einen Vortrag, den ich 2008 im Bremer Gewerkschaftshaus auf Einladung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der DGB-Jugend und des Bremer Friedensforums gehalten hatte. Die Überschrift lautet: „Das Geheimnis der Fünften Kolonne – Kleine Nachhilfe für Unkundige.“

Die von mir beanstandete Agenturmeldung entsprach übrigens exakt dem von dpa verbreiteten Original. Nicht nur die „Stuttgarter Zeitung“, sondern auch „Die Welt“ aus dem Hause Springer und ZEIT-online haben – wie vermutlich alle anderen Presseerzeugnisse – die tendenziösen Aussagen aus der Mottenkiste deutsch-völkischer Propaganda übernommen und den Lesern damit ein Geschichtsbild ins Haus geliefert, das der Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen im Wege steht.

Anmerkung: Dieser Text vom 4. März 2013 wurde bislang nirgendwo veröffentlicht. Eine gekürzte Fassung erschien unter der Überschrift „Entdeckung im Internet“ in Heft 7/2013 der Zweiwochenschrift Ossietzky.


 

Camouflage

(Conrad Taler)

 

»Selbstverständlich ist Max Mannheimer einer von uns.« Als ich das aus dem Munde von Bernd Posselt hörte, verschlug es mir den Atem. Max Mannheimer im Kielwasser der Sudetendeutschen Landsmannschaft? Der Auschwitz-Überlebende im Bunde mit jenem Bernd Posselt, der den Völkermord an den Juden bagatellisiert und auf eine Stufe stellt mit der Vertreibung der Deutschen nach Kriegsende? Der Sohn jüdischer Eltern, die von den Nazis enteignet und dann in Auschwitz ermordet worden sind, einer von denen, die mit den Tschechen erst Frieden machen wollen, wenn die Deutschen ihre alten Besitztümer in Böhmen und Mähren zurückbekommen haben? Makaber.

Als Posselt dem 92jährigen Holocaust-Opfer zu Pfingsten in Nürnberg den europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft überreichte, verwies er zur Begründung auf dessen nordmährische Herkunft. Genügt wirklich der Geburtsort, um Posselts organisierter Anhängerschaft zugerechnet zu werden? Meine Eltern stammen ebenfalls aus Nordmähren, noch dazu aus der unmittelbaren Umgebung von Neutitschein, Mannheimers Geburtsstadt. Ich selbst wurde in Nordböhmen geboren. Weder Posselt noch sonst jemand aus seiner Umgebung kam bisher auf die Idee, mich deswegen als einen der Ihren zu betrachten. Auch der von den Nazis vertriebene Kommunist Louis Fürnberg, dessen im Exil entstandene Gedichte seine Liebe zur Heimat Böhmen bezeugen, blieb für sie ein Fremder. Und Max Mannheimer? Spielt er im kollektiven Gedächtnis der Sudetendeutschen eine besondere Rolle?

Ich schlage das »Sudetenland-Lexikon« auf und finde über Max Mannheimer kein einziges Wort, dafür 42 wohlwollende Zeilen über Konrad Henlein, den Statthalter Hitlers im Sudetenland. Auch an den Staatssekretär beim Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, Karl Hermann Frank, erinnert das Nachschlagewerk. Über ihn heißt es: »Von den Tschechen wurde Frank für das Verbrechen von Lidice belastet; es gibt aber auch andere Stimmen, die ihn als nicht verantwortlich dafür bezeichnen.« Am 10. Juni war es 70 Jahre her, seit die Nazis als Vergeltung für das Attentat auf den SS-Führer Reinhard Heydrich Rache nahmen an den Bewohnern von Lidice.

Posselt wußte, daß die »lieben Landsleute«, die zum staatlich finanzierten Pfingsttreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft nach Nürnberg gekommen waren, mit Mannheimer nicht viel im Sinn haben. Es sei »keine einfache Laudatio«, die er da zu halten habe, meinte er bei der Preisübergabe. Zwar sei der Geehrte »einer von uns«, andererseits entziehe er sich jeder Vereinnahmung. Er sei »auf das Fürchterlichste gequält, verfolgt und mißhandelt worden von Menschen unseres Volkes und auch unserer Volksgruppe.«

Daß 67 Jahre ins Land gehen mußten, ehe sich die Sudetendeutsche Landsmannschaft zu einem solchen Schuldeingeständnis gegenüber einem Opfer des Naziterrors bereit fand, spricht für sich. Und warum gerade jetzt? Warum ehrt eine Organisation, in der Rechtsextremisten alter Schule über Jahrzehnte hinweg den Ton angegeben haben, einen Überlebenden des Holocaust wegen seines Kampfes gegen den Rechtsextremismus mit ihrem Karlspreis? Hat am Ende die bessere Einsicht gesiegt, oder ist das Ganze ein Manöver zur Verschleierung alter Ansprüche auf die ehemals deutsch besiedelten Gebiete in der Tschechischen Republik? Wohl eher das Zweite.

Seit die Landsmannschaft mit ihrer Frontalattacke gegen die Beneš-Dekrete gescheitert ist, übt sie sich in einer neuen Taktik. Sie möchte über die Anerkennung als materieller Wohltäter hinaus auch die Seelen der Menschen in Tschechien gewinnen. Sie legt zu Ehren der Opfer des Naziterrors Kränze in Theresienstadt und Lidice nieder und verleiht einem Überlebenden des Holocaust ihren Karlspreis. Auf Camouflage haben sich die Volkstumskämpfer seit jeher gut verstanden. Bis zum Schluß heuchelte Konrad Henlein gegenüber Prag Versöhnungsbereitschaft, obwohl er nur eines im Sinn hatte, die Zerschlagung der Tschechoslowakei. Nachdem alles schief gegangen war, versprachen die Vertriebenenfunktionäre, als hätten allein sie das Recht auf ihrer Seite, den Verzicht auf Rache und Vergeltung. Ihre Kampfansage an die Alliierten nannten sie hochtrabend »Charta der Heimatvertriebenen«, so als handle es sich um ein Pendant zur Charta der Vereinten Nationen.

Dies alles weiß natürlich auch Max Mannheimer, der langjährige Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau. Daß er die Ehrung durch die Sudetendeutsche Landsmannschaft dennoch akzeptiert hat, wird manchen verwundern. Ihn deswegen zu kritisieren, steht niemandem zu.

Ossietzky, Nr. 13 (2012)…


Vertreibung und die Rhetorik des Völkermords

Kurt Nelhiebel

 

Zuerst haben alle geschwiegen, dann war die Aufregung groß. Selbst in den Jahren des Kalten Krieges sei das Motto eines Sudetendeutschen Tages nie so aggressiv gewesen wie in diesem Jahr, schrieb der Ko-Vorsitzende der Deutsch-Tschechischen Historikerkommission, Martin Schulze Wessel, in der Süddeutschen Zeitung. Das Schicksal der Sudetendeutschen sei doch schlimm genug gewesen, „weshalb meint man es heute übertreiben und mit ‚Völkermord‘ gleichsetzen zu müssen?“ Das verbaue den Weg zu einer besonnenen Klärung der Vergangenheitsfragen und gefährde die gemeinsame Zukunft. Auch der Direktor des Instituts für Genozidforschung an der Ruhr-Universität, Mihran Dabag, reagierte irritiert auf das Motto „Vertreibung ist Völkermord – dem Recht auf die Heimat gehört die Zukunft“. Er könne nicht verstehen, warum der Vertriebenenverband eine solche Provokation wage. Die Gleichsetzung von Völkermord und Vertreibung sei völlig inakzeptabel; „Genozid“ dürfe nicht „zum Kampfbegriff“ werden.

Hätte die Provokation verhindert werden können? Das Motto war seit langem bekannt, und bereits im Januar hatte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Bernd Posselt, im Zusammenhang mit den „wilden Vertreibungen“ des Jahres 1945 und den Vertriebenentransporten des Jahres 1946 von einem „gezielten Völkermord“ gesprochen. Aber weder die Bundesregierung noch die Medien nahmen davon Notiz. Anscheinend halten immer mehr Menschen die Sudetendeutschen für eine Art Folkloregruppe, die in bunter Tracht zur Freude ihres bayerischen Landesfürsten und Geldgebers einmal im Jahr ihren Auftritt hat, aber politisch nicht ernst zu nehmen ist. Diesmal hatten die Veranstalter allerdings zu dick aufgetragen. Jedenfalls erwähnte Ministerpräsident Edmund Stoiber das Motto in seiner Ansprache mit keinem Wort.

Dabei verhält sich die Landsmannschaft durchaus trendy. Das Motto passt genau in jene politische Grundströmung, mit der die neue Rolle Deutschlands in der Welt historisch abgefedert werden soll. 60 Jahre nach Kriegsende will man dem verflossenen Jahrhundert eine neue Deutung geben. Die Verbrechen der Nationalsozialisten und der Überfall Deutschlands auf seine europäischen Nachbarn sollen nicht länger den politischen Horizont verdunkeln. Das Jahrhundert soll in einem Nebel von Relativierung und Nivellierung versinken, aus dem die Deutschen als geschundene Opfer auftauchen, nicht besser als alle anderen, aber auch nicht schlechter. Neben dem Mahnmal für die ermordeten Juden soll als Symbol eines neuen Geschichtsbildes ein anderes Mahnmal stehen – das Zentrum gegen Vertreibungen, dem die Deutschen ihren Stempel aufdrücken wollen.

Weiterlesen in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 7 (2006)…

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