Gedichte

Frühe und ein neueres Gedicht

Abschied 1944

Abschied will ich heute nehmen,
muss hinaus nun in die Welt.
Soll ich mich der Träne schämen,
die mir von der Wange fällt?

Seh’ ich euch noch einmal wieder,
Heimaterde, stilles Tal?
Klingen, Heimat, deine Lieder
heute mir zum letzten Mal?

Heimlich rauscht es in den Tannen,
grüßend nickt der Wald mir zu.
Und so ziehe ich von dannen –
Jugendzeit verflog im Nu.

Alles geht einmal zu Ende,
alles Leid, und auch das Glück.
Reich’ zum Abschied dir die Hände,
Heimat, wann kehr ich zurück…

1944

 

In der Fremde

Leise sinkt der Abend nieder,
Stille über Berg und Tal.
Plötzlich dann, mit einem Mal,
hör’ ich, Heimat, deine Lieder.

Stehe oben auf der Höhe,
schaue weit ins Land hinein,
fühle mich nicht mehr allein,
spüre Wärme, Liebe, Nähe.

Doch dann reißt der schöne Schleier,
fort sind Berg und Tal und Baum.
Alles nur ein kurzer Traum,
eine kleine, stille Feier.

Blick’ ernüchtert in die Runde –
Fern die Heimat, ach, wie fern.
Hoch am Himmel still ein Stern,
wie ein Gruß aus stummem Munde.

1944

 

Morgenläuten

Lächelnd küsst die Sonne wieder
alle Häupter meiner Höhen
und es klingt das Lied der Lieder
jubelnd nach dem Dunkelwehen.

Alles Böse und das Schwere
flieht von mir – ich bin erlöst,
und es scheint mir fast als wäre
nie und nimmer es gewest.

Schillernd Regentropfen hängen
an den Blättern – perlengleich
und mir scheint fast so als klängen
Glocken durch mein stilles Reich.

Ja, ich höre Morgenläuten,
dort vom Berge schwingts herab,
aber ach, wie soll ich’s deuten?
Heißt es Leben oder Grab?

1946

 

Schatten

…gehen um auf leisen Sohlen,
schmiegen sanft sich an die Blüten,
so als wollten sie bedächtig,
abendliche Stille hüten.

Will der Wind noch im Gezweige
vom Vergangenen erzählen,
legen schützend sie die Hände
um der müden Bäume Seelen.

Lehnen noch an meinem Fenster,
eh’ sie in die Nacht entgleiten,
und den blaugesäumten Garten
lautlos in den Schlaf geleiten.

1948

Naher Frühling

Unter Laub und welken Gräsern
fängt es plötzlich an zu grünen,
und durchs Astgewirr der Weiden
taumeln wintermüde Bienen.

Aus Gebüsch und kahlen Bäumen
steigen helle Vogelstimmen –
könnte ich doch jetzt mit ihnen
durch den blauen Äther schwimmen.

Losgelöst von allem Schweren
mich den Träumen ganz ergeben,
und in himmlischen Gefilden
einen ew’gen Frühling leben.

1948

 

Mit offenem Herzen

Mit offenem Herzen
empfanget die Nacht,
als gäbet ihr Einlass
zum inneren Gemach
einer liebenden Seele –
dann beschert euch
statt gläserner Starre
schmeichelnde Anmut
nächtlicher Blüten
ein zweites Gesicht.

1948

 

Spätsommer

Georginen bluten schon im Garten
und die zarten
milchig-weißen Blüten,
die der Phlox verloren,
liegen auf den braunen Schollen
wie ein Wollen,
dem der Anfang
die Erfüllung schon genommen.

An den regenschwarzen Zäunen
und den Bäumen
rinnen trübe Tropfen
auf die müde Erde,
und ein gelbes Blatt im Winde
treibt geschwinde,
wie die Hast der letzten Tage
über dornenvolle Hecken.

1948

 

Markustag

Still sinkt der Abend in den Tag,
auf dem ein milder Zauber lag.
Rotgolden steht der Berg umsäumt
im letzten Sonnenlicht und träumt.

In seinen Kronen rauscht es leis‘
als ahnte er, was ich nun weiß.
Vernahm auch er den süßen Klang,
der heute in zwei Herzen sang.

Ein großes Ahnen ist erblüht.
Der Berg liegt still, er lauscht dem Lied.
Wie ist der Abend feierlich _
Der Tag versinkt. Ich denk an dich.

1948

(2005 vertont von Klaus Nelhiebel.)

 

Gleichnis

Du bist wie ein schöner Gedanke,
der mich wie Zauber umhüllt,
und wie eine bange Gewissheit,
die sich vielleicht nicht erfüllt.

So wie ein verlockender Anfang,
der jedes Ende verwehrt,
ein flüchtiger Traum voller Hoffnung,
der kurzes Glück nur beschert.

1948

 

Der Tod

Du bist durch mich.
Nicht nur verwandt
ist dir mein Sein,
du bist – ich selbst.
Mein Atem macht dich
groß für mich.
Noch ahn‘ ich dich,
doch dann bergab
dem Abend zu
erfühl ich dich.
Du sprichst:
Jetzt lös‘ ich mich.
Erkenn‘ den Sinn:
Du warst – ich bin.

1949

 

Paradiesbrücke

(Für Oswald)

Eingeritzt in das Holz
die Erinnerung
dumpfer Hufschlag
auf verwitterten Bohlen.

Neben den Erlen am Ufer
unter moderndem Laub
schwarz die Morchel.

Lockender Bach
mit Krebs und Forelle.

Stummer Gedanke.

Barfuß bergauf
zur sonnigen Lehne
Beeren im blauen Mund
und im Krug.

Lachender Himmel.

Baden im Fluss
auf dem Teerdach
der Brücke atemlos
Wärme und Glück.

Versunkener Sommer
versunken die Brücke
bald auch wir.

2006

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